ROMONTSCH Sprache umschalten DEUTSCH

Geologische Situation

Glarner Hauptüberschiebung

Laax befindet sich inmitten der Szenerie der Tektonikarena Sardona. Darin ist die Glarner Hauptüberschiebung ein herausragendes Phänomen. An dieser gewaltigen Überschiebung wurden die Mechanismen der Gebirgsbildung während etwa 200 Jahren studiert. Die Entstehung der wichtigsten grossen Gebirgsmassive kann hier besonders gut nachvollzogen werden. Ausserdem besteht ein anhaltend grosses Interesse, verschiedene geologische Fragen in diesem Gebiet zu erforschen. Dies bewog die UNESCO, im Jahre 2008 die Tektonikarena Sardona in die Liste der Weltnaturerben aufzunehmen (20; 21; 26).

Durch die Kollision der Kontinente Ur-Afrika und Ur-Europa kam es im Gebiet des heutigen Vorderrheintals zu hohen Drucken, unter welchen die Gesteine zusammengestaucht wurden. Bis zu kilometerdicke Gesteinspakete wurde ausgepresst und als sogenannte «Decken» übereinander geschoben. Die Schubbewegung erfolgte in Tiefen von bis zu 16 Kilometern unter der damaligen Terrainoberfläche und mit einem durchschnittlichen Versatz von wenigen Zentimetern pro Jahr. Im Überschiebungsbereich herrschten Temperaturen von bis zu 320 °C. und Drucke von bis zu 5 Kilobar. (21)

Das Gebiet von Laax gehört geologisch zum «Helvetikum». Die überschobenen Decken werden von den Geologen als «Oberhelvetikum» bezeichnet. Darunter befindet sich die Sedimenthülle des «Unterhelvetikums» («Infrahelvetikum»), welche direkt dem Aarmassiv aufliegt. Diese wurde zusammen mit dem kristallinen Grundmassiv nur geringfügig verschoben. Allerdings entstanden während der Überschiebungen im Unterhelvetikum mehrere kleinräumige Überschiebungen und Falten.

Die markanteste Überschiebung innerhalb des Glarner Deckenkomplexes ist die Glarner Hauptüberschiebung. Deren auffälligstes und gut sichtbares Merkmal ist die messerscharfe, helle Linie, welche sich durch die Felswände am Laaxerstöckli (Crap Grisch), den Tschingelhörnern, dem Atlas, dem Piz Dolf, dem Tristelhorn und dem Ringelspitz zieht. Oberhalb dieser «magischen Linie» liegen meist dunklere, massige, wandbildende Gesteine. Diese sogenannten «Verrucanogesteine» sind 250 bis 300 Millionen Jahre alt. Unterhalb der Linie liegen im nördlichen Teil des Weltnaturerbes bräunliche, verschieferte Gesteine, sogenannte «Flyschgesteine», mit einem Alter von 35 bis 50 Millionen Jahren. Im südlichen Bereich (Ringelspitz, Cassonsgrat, Piz Grisch) befinden sich unterhalb der Linie hellgraue, etwa 100 bis 150 Millionen Jahre alte Kalkgesteine. Im Bereich der Tschingelhörner liegen die hellgrauen Kalke zwischen den bräunlichen Flyschgesteinen und den Verrucanogesteinen. Bei diesen Kalken handelt es sich um Gesteinspakete, die unter der grossen Schubmasse «mitgeschleppt» wurden. An der Linie selbst liegt ein meist nur knapp 0.5 Meter mächtiger, gelblich anwitternder marmorartiger Kalk, der sogenannte Lochsitenkalk. Er entstand erst während der Überschiebung und diente teilweise auch als «Schmiermittel». (21)

Während des Gebirgsbildungsprozesses haben sich die Alpen gehoben und wurden der Erosion durch Flüsse und Gletscher ausgesetzt. Reste der Glarner Decke finden sich noch auf dem Flimserstein als sogenannte Klippen, im westlichen und nördlichen Teil des Gemeindegebietes auch als zusammenhängende Schicht. Diese Überbleibsel bestehen ausschliesslich aus Verrucano (39). Die ehemals darauf gelagerten Sedimente sind vollständig wegerodiert. Die Überschiebung lässt sich an den Tschingelhörnern, beim Ofen und oberhalb des Graubergs (Sur Crap) besonders gut beobachten. Der Schub begann vor etwa 35 Mio. Jahren in einer Tiefe von 12-15 km. (26; 27)

Durch Hebung und Erosion sind auch Sedimentschichten unter der Glarner Decke zum Vorschein gekommen. Es handelt sich um verschiedene Gesteinsarten aus den Erdzeitaltern Trias, Jura und Kreide. Besonders mächtig ausgebildet sind die Malmkalke aus dem oberen Jura (Quinten-Kalk, z.T. Tros-Kalk). (26, 14)

Geologische Karte des Gebietes Reichenau-Ilanz/Glion. Nach O. A. Pfiffner et al. 2011, überarbeitet und ergänzt 2022
Geologische Verhältnisse im Schnitt, O. A. Pfiffner 2022
Lage der Schnitt-Zeichnung, O. A. Pfiffner 2022


Karstbildung

Unsere Atmosphäre enthält natürlicherweise stets einen Anteil Kohlendioxid (CO2). Bei Reaktion mit dem Niederschlagswasser (H2O) entsteht daraus Kohlensäure (H2CO3). Kohlensäure greift den Kalk (Calcit, CaCO3) an. Im Wasser bilden sich Calcium- (Ca++) und Hydrogencarbonat-Ionen (HCO3-). Diese können leicht vom Regenwasser weggespült werden. Fortschreitende chemische «Zersetzung» von Kalk führt zur Verkarstung. Merkmale der Verkarstung sind Karrenfelder, Karsthöhlen mit Tropfsteinen (Stalagmiten und Stalaktiten), unterirdische Wasserläufe, Einsturzlöcher (Dolinen), Schwundlöcher (Ponore) und Karstquellen (36). Im Raum Flims-Laax wurden die drei folgenden umfangreichen Karstsysteme im Rahmen von Färbversuchen nachgewiesen (19):

1. die Region Vorab - Sur Crap, die in Verbindung mit den Quellen Lag Tiert, Lag Prau Pulté, Val Davos resp. Umfahrungstunnel steht und etwa 15 km2 umfasst.

2. die Region oberhalb Tarschlims, welche in die Quellen Tarschlims und Platt’Alva entwässert und etwa 12 km2 umfasst. Die Region ist wegen der Trinkwasserfassungen für die Versorgung von Flims sehr wichtig.

3. die Region des Flimsersteins und von Bargis, welche zu den Quellen von Trin Mulin entwässert. Gemäss der Landeskarte ist das Einzugsgebiet etwa 31 km2 gross. Allerdings sind die Quellen für diese Fläche zu klein. Eine gewisse Wassermenge muss anderswo austreten.


Vermutete Einzugsgebiete der Karstsysteme der Region Flims, SISKA, Ph. Häuselmann, P.-Y.Jeannin. 2009

Talbildungen

Das Vorderrheintal und seine Seitentäler sind in den letzten 2.6 Mio. Jahren abwechselnd durch Gletscher und Flüsse herausmodelliert worden. Die Hochtäler mit dem Oberen und Unteren Segnesboden sowie das Tälchen von Bargis sind stark geprägt durch den Segnesgletscher bzw. den Bargisgletscher. Die Bäche bringen laufend Geschiebe mit und lassen Alluvionen mit eigener Dynamik entstehen.

Das Tal des Vorderrheins ist ebenfalls stark durch Flüsse und Gletscher geprägt. Vom Rheingletscher finden sich im westlichen Teil von Laax an der Oberfläche heute noch Findlinge (Erratiker) und Reste von Seitenmoränen (03). Besonders auffällig sind Blöcke aus Punteglias-Granit. Aber auch Verrucano wurde durch die Gletscher mitgetragen und in Moränen abgelagert. Die Bildung der Rheinschlucht mit ihren Alluvionen ist ein anhaltender Prozess, welcher in der heutigen Form erst nach dem Abgang des Flimser Bergsturzes begonnen hat (27).


Rheinschlucht (hinten) und Laaxertobel (vorne), Foto R. Zuber

Flimser Bergsturz

Ein landschaftsprägendes Element ist zweifellos die Trümmermasse des Flimser Bergsturzes mit der darin eingekerbten Rheinschlucht. Vor 9450 Jahren brach am Flimserstein eine etwa 10-15 km3 (10-15 Mia. m3) beinhaltende Felsmasse ab und füllte das Vorderrheintal zwischen Ilanz und Bonaduz (34; 12, 13; 11; 26). Es handelt sich um jene Gesteinsarten, die auch heute noch den zurückgebliebenen Teil des Flimsersteins aufbauen: Den Hauptanteil machen die Kalke des Juras (Malm, Quinten-Kalk) aus. Darüber folgen Kreidekalke und wenig Verrucano (Reste der Glarner Decke). Die basale Gleitfläche ist an einzelnen Stellen bei Flims direkt sichtbar. Sie folgt der Schichtung im anstehenden Quinten-Kalk, bildet aber lokale Stufen, sodass die Gleitfläche nach Süden sukzessive in ein tieferes Niveau versetzt ist. (34; 26)

Der westliche Rand des Ablagerungsraums der Trümmermasse verläuft im Bereich des Lag Grond und des Lag digl Oberst (29). Der nördlichste Teil bei Plaun überdeckt Quintenkalk, welcher hier im Unterhelvetikum vor dem Bergsturz durch Erosion freigelegt wurde. Weiter südlich befindet sich unter der Bergsturzmasse der Verrucano der Glarner Decke und angrenzend der Ilanz-Verrucano. (39; 25; 11)


Westrand Trümmerstrom des Flimser Bergsturzes, O. A. Pfiffner 2021

Von besonderer Bedeutung für das Verständnis der Hydrologie der Seen von Flims und Laax ist der Aufbau dieser Trümmermasse. Der Grad der Zerrüttung ist beträchtlichen lokalen Unterschieden unterworfen. Vollständige Zerrüttung verursachte ein weissliches Aussehen der Kalke, und beim Anschlagen mit dem Hammer zerfällt es in Gesteinssand und -staub. An anderen Stellen erkennt man von weitem noch eine deutliche interne Struktur mit Schichtung und Falten. Diese wenig zerrütteten Gesteine können Blöcke von mehreren hundert Metern Durchmesser ausmachen. Offenbar ist der Trümmerstrom beim Niederfahren nicht in ein allgemeines turbulentes Fliessen geraten. Vielmehr ist anzunehmen, dass er sich als grösserer Block bewegte und hauptsächlich beim Aufprall am Gegenhang zerbrach. (26)

An der Oberfläche sind mehr Fliessbewegungen anzunehmen. Sie erzeugten die Wälle und waren dafür verantwortlich, dass im oberflächlichsten Teil der Trümmermasse häufig grosse Gesteinsblöcke von mehreren Metern Durchmesser anzutreffen sind. Diese Blöcke müssen auf dem bewegten Untergrund quasi aufgeschwommen sein. (26)

Die Flimser Bergsturzmasse glitt ins Flussbett des Rheins und vermochte die dort vorhandenen Alluvionen und die Sedimente des einstigen Bonaduzer Sees teilweise seitlich abzudrängen. Dieser sogenannte Bonaduzer Kies ermöglicht heute, den Abgang des Bergsturzes von Flims in der Reihenfolge nach dem Bergsturz von Tamins einzuordnen (27).

Ausserdem entstand mit der Auffüllung des Vorderrheintal-Abschnittes ein riesiger natürlicher Damm. Die Oberkante dieses Dammes reichte zwischen Valendas und Versam bis maximal etwa 830 m ü.M. Dahinter füllte sich der ehemalige Ilanzer See innert schätzungsweise 1-2 Jahren, zuerst etwas schneller, dann wegen der Versickerung und Durchströmung der Sturzmassen etwas langsamer. Aufgrund von Beobachtungen in ähnlichen Situationen kann davon ausgegangen werden, dass dann an der Oberfläche zuerst kleinere Rinnen entstanden sind und dort das Feinmaterial ausgeschwemmt wurde. Erst etwas später ereigneten sich Ausbrüche von Wasser, welche Schlamm, Kies und Bergsturztrümmer mitrissen. Bei genügend Erosionskraft suchte sich das Wasser einen Weg durch den Schlamm und die Bergsturzmasse und tiefte die allmählich entstehende Rheinschlucht weiter ein. (34; 26; 27)


Ilanzer Becken (Gruob), Bergsturz-Füllung und Rheinschlucht. Foto R. Zuber

Laaxertobel

Der Laaxerbach hat sich vor dem Niedergang des Bergsturzes im nordwestlichen und nördlichen Abschnitt einen Weg durch die Kalke des Unterhelvetikums (Kreide, Jura) gesucht. In der Val Plaun folgt er dem Bruch zwischen den unterhelvetischen Kalken und dem oberhelvetischen Verrucano der Glarner Decke. Von Runca bis zum Rhein wurde der Fels durch die Trümmermasse des Flimser Bergsturzes überdeckt. Hier ist der Laaxerbach nun dran, diesen Deckel durch Erosion zu durchbrechen. An einer Stelle südwestlich von Planezzas kommt im Flussbett unter der Trümmermasse bereits wieder der Verrucano zum Vorschein (28).

Laaxertobel (Val da Mulin). Foto R. Zuber
Basis der Bergsturzmasse im Laaxertobel: Verrucano der Glarner Decke. Foto R. Zuber


Das Laaxertobel stellt eine der eindrücklichsten und aktiveren Erosionsrinnen der Alpen dar. Nach Starkniederschlägen führt der Bach viel Geschiebe und trägt zur weiteren Eintiefung und Verbreiterung des Tobels bei. Trotzdem sehen die Bergsturzwände erstaunlich stabil aus. Dies hängt mit der Beschaffenheit der Bergsturzbrekzie zusammen. Sie ist im Inneren fest und zäh und überwiegend trocken. Es fehlen ihr ausgedehntere Tonlagen, die zum Beispiel eine Rutschung begünstigen würden, und überdies tiefgreifende Spalten, welche zu Abbrüchen führen könnten. Die Heterogenität des Materials bietet aber Angriffsflächen für das Wasser und lässt bizarre Türme von bewundernswerter Schönheit entstehen.


Erosionsformen im Laaxertobel. Foto D. Thuli

Während der Phase der Auffüllung des Ilanzer Sees mit Schlamm mündete der Laaxerbach auf hohem Niveau bei der Ruine Schiedberg bei Sagogn in den See und machte dort umfangreiche Deltaschüttungen (28). Erst später und mit zunehmender Eintiefung des Laaxertobels suchte sich der Ual da Mulin einen neuen Weg.


Deltaschüttungen des Laaxerbaches in den Ilanzer See, südlich der Ruine Schiedberg. Foto R. Zuber